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Zeugnis 1 |
Das nachfolgende Zeugnis soll zur Ermutigung dienen und zeigen, dass bei Gott nichts unmöglich ist.
Leben mit einem zwangserkrankten Angehörigen - ein Erfahrungsbericht über den Krankheitsverlauf unseres Sohnes
Unser Sohn litt seit seinem 16.Lebensjahr an einer Zwangsstörung in verschiedenen Ausformungen. Er litt an quälenden Zwangsgedanken und
Zwangshandlungen (Waschzwänge, Kontrollzwänge, Berührungszwänge, Zwangsgedanken und Vieles mehr),
die ihn Tag und Nacht gefangen hielten. Erste Symptome traten aber schon in frühester Kindheit auf, was uns erst sehr viel später bewusst wurde.
Über die Erkrankung, welche sich in einem außerordentlichen Maß ausgebreitet hatte und die Heilung unseres Sohnes möchten wir hier berichten.
Wir als Eltern und auch unser Sohn wussten beim Ausbruch der Zwangserkrankung, zum damaligen Zeitpunkt nichts über die Existenz einer solch
schwerwiegenden Erkrankung.
Die Ausprägung dieser Störung war so gravierend, dass wir sofort ärztliche Hilfe in Anspruch nahmen. Unser Sohn begab sich zugleich in
Psychotherapie und bekam unterstützende Psychopharmaka.
Trotz ärztlicher Behandlung und Medikation verschlimmerte sich die Krankheit
rasant.
Wir als ganze Familie litten mit unserem Sohn und waren genau so in der Krankheit
gefangen wie er, da unser Sohn uns mit in sein Zwangssystem involvierte.
Nachfragen bei der behandelnden Klinikdirektorin der Kinder und Jugendpsychiatrie ergaben, dass die Verschlimmerung bei der Symptomatik der
Krankheit normal sei. Unser Sohn und wir müssen uns darauf einstellen, mit dieser Krankheit zeitlebens
leben zu müssen und dass ein normales Leben wahrscheinlich nicht mehr möglich sein werde. Die Krankheit sei sehr weit ausgeprägt, wie in
keinem vergleichbaren Falle. Sollten die Anspannungen zu Hause nicht mehr erträglich sein, müsse eine Tagesklinik in Erwägung gezogen werden.
Wege zur und von der Schule und der Aufenthalt außerhalb der Wohnung waren nur mit Unterstützung der Familie möglich.
Nach dem Abitur erfolgte eine
Ausbildung, was ebenfalls kein leichter Weg war. Im Sommer 2011 erfolgte ein stationärer Klinikaufenthalt in einer speziellen
Fachklinik für
Zwangserkrankungen mit der großen Hoffnung auf eine Verbesserung oder Gesundung, um seinen Beruf ohne Leidensdruck ausüben zu können. Nach
großen Anstrengungen
konnte zunächst eine kleine Verbesserung festgestellt werden. im Herbst des gleichen Jahres erfolgte ein zweiter Aufenthalt in derselben Klinik zur weiteren Stabilisierung.
Leider erbrachte diese Behandlung nicht den
erwünschten Erfolg.
Nach Erreichen der Volljährigkeit musste ein neuer Therapeut gesucht werden, da die Kinder -und Jugendpsychiatrie unseren Sohn abgeben musste.
Die weitere Behandlung bei dem neuen Therapeuten erbrachte keine Verbesserung, im Gegenteil die Krankheit verschlimmerte sich zusehends.
Von 2012 bis 2014 kam es zu einem vermehrten Leidensdruck durch die Zwänge.
Anfang 2014 wechselte unser Sohn den Therapeuten, da er allein das Haus nicht mehr verlassen konnte. Er wollte gezielte Therapie zur Verbesserung seiner Situation in
Anspruch nehmen. Dieser Therapeut therapierte jedoch nur im Behandlungszimmer und begleitete ihn nicht in den öffentlichen Verkehrsraum.
Der Wille unseres Sohnes zu gesunden und mitzuarbeiten war groß, allein der Erfolg blieb leider aus.
Daher entschloss er sich zu einem dritten stationären Aufenthalt in einer anderen Fachklinik.
Dort verordnete man lediglich 25 Minuten Einzelgespräch in der Woche und auch die Verdoppelung der Aufenthaltsdauer führte nicht
zum gewünschten Erfolg.
Nach einer weiteren Verschlimmerung und einem Gefangensein in seiner Krankheit, verlor unser Sohn den Mut und die Kraft, sich gegen die
Krankheit aufzubäumen. Er
kehrte in den elterlichen Haushalt zurück, weil ein eigenständiges Leben, in der eigenen Wohnung nicht mehr möglich war.
Zubereitung und Aufnahme von Mahlzeiten waren für ihn nicht mehr durchführbar. Verlassen und Betreten der Wohnung, das Bewegen in
öffentlichen Verkehrsmitteln,
sowie das Aufsuchen seines Arbeitsplatzes war ihm nur mit fremder Hilfe möglich. Das hieß auch für uns als Eltern ein ständiges
Eingespanntsein, in seinen durch
Zwängen bestimmten Tagesablauf. Die Verzweiflung breitete sich mehr und mehr aus. Er verlor den Spaß an der Musik und zog sich immer mehr
vom Leben zurück. Unser Sohn
entwickelte stark ausgeprägte Depressionen.
Durch eine privat bekannte Kinderärztin wurden wir auf die Gesellschaft für Zwangserkrankungen (DGZ) aufmerksam und erhielten von dort
die Adresse der Therapeutin Marie-Theres Funk aus Karlsruhe. Frau Funk hat dort eine eigene psychotherapeutische Praxis (HPG).
Frau Funk ermutigte unseren Sohn und war die erste Therapeutin, die zu keiner Zeit den Glauben an seine Genesung aufgab. Auch wurden
wir als Eltern aufgebaut und stets mit
in die Therapie eingebunden. Sie machte uns immer wieder Hoffnung, nicht aufzugeben. Durch ihre Therapieerfahrung mit vielen, zum Teil schwer
erkrankten Zwangspatienten, fassten
wir schnell Vertrauen, denn bisherige Ärzte und Therapeuten hatten unseren Sohn für mehr oder weniger unheilbar bezeichnet.
Frau Funk führte nicht nur Gespräche, sondern begleitete unseren Sohn auch außerhalb der Praxis und führte Reizkonfrontationen
in den Situationen durch, bei denen die
Zwänge besonders stark waren. Sie begleitete ihn im Auto, in öffentlichen Verkehrsmitteln, in der Stadt und konfrontierte ihn mit
zwangsauslösenden Reizen. Ihr
Engagement ging weit über das erwartete Maß hinaus.
Da unser Sohn auch unter religiösen Zwängen litt und das ebenfalls ein Teil seiner Zwangserkrankung war, waren wir dankbar, dass
Frau Funk sich auch in diesem Bereich
auskannte. Glaubensthemen wurden nicht ausgespart und thematisiert.
Die Therapie bei Frau Funk erfolgte im Zeitraum von November 2014 bis August 2015. Im August 2015 war unser Sohn nochmals drei Tage hintereinander zur
Intensivtherapie bei Frau Funk und danach stellte sich eine unerwartete Wendung und Genesung ein, an die wir nicht mehr geglaubt und die wir auch
nicht mehr für möglich gehalten hatten. Ab diesem Zeitpunkt war keine weitere Therapie mehr erforderlich.
Unser Sohn
ist wieder in der Lage sein Leben zu meistern, seinen Alltag zu gestalten und all die Dinge zu tun, die ihm durch die
Zwangserkrankung jahrelang nicht mehr möglich waren.
Trotz teurer, jahrelanger ambulanter und stationärer Therapien, sowie Restriktionen durch die Krankenkasse erscheint die kurzzeitige
Therapie bei Frau Funk wie ein Wunder. Auch wenn wir die Therapie zum großen Teil selbst zahlen mussten, so waren es uns die Kosten doch
wert, weil wir die grundlegende Veränderung unseres Sohnes sehen, und miterleben dürfen wie viel er an Lebensqualität und
Lebensfreude zurück gewonnen hat.
Vielleicht dient dieser Erfahrungsbericht über eine jahrelange Leidenszeit anderen Betroffenen zur Hilfe und Ermutigung, die Hoffnung
nicht zu verlieren, nie aufzugeben und zu vertrauen, dass es Wege aus der Zwangserkrankung gibt, dass eine Zwangserkrankung kein Schicksal
sein muss, dass wider Erwarten Heilung möglich ist, und dass negative ärztliche Prognosen sich nicht zwangsläufig erfüllen müssen.
Familie K.
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